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Historie

ehem. Seldeneck'sche Brauerei - heute

Gegründet wurde die Brauerei 1771 von Prinz Wilhelm Ludwig von Baden, der Bruder des späteren Großherzogs Karl Friedrich, an der heutigen Stelle hinter seinem schon früher erbauten Landschlösschen (heute Kammerkirsch-Verwaltung).

Ansicht Bau I

Den Namen Seldeneck gab es erst später. Wilhelm Ludwig heiratete nämlich, nicht standesgemäß, eine bürgerliche Frau namens Schortmann und wurde deshalb von seiner Familie gemieden. Erst als sich herausstellte, dass seine Frau fleißig, tüchtig und auch geschäftlich versiert war, gab es eine Annäherung und der Mangel der unstandesgemäßen Herkunft wurde durch die Verleihung des ausgestorbenen Namens Freiin von Seldeneck beseitigt.

Eine Brauerei war in Mühlburg eine sinnvolle Einrichtung: Zwar hatte Mühlburg kaum mehr als 800 Einwohner, aber es gab derart viele Wirtschaften, dass sich der Bürgermeister zu Maßnahmen der Beschränkung veranlasst sah

Chronisten bestätigen, dass das Mühlburger Völkchen zumindest damals einen ausgeprägten Hang zum Gerstensaft hatte. Auch von dem Brauereiinhaber selbst erzählt man sich noch heute derbe und deftige Anekdoten.

Aus der Brauerei Seldeneck wurde dann die Mühlburger Brauerei AG, aus deren Zeit wir in einem Mauerhohlraum noch eine alte Bierflasche mit Relief-Inschrift und Schnappverschluss gefunden haben. Die Gebäudeanordnung entsprach bereits überwiegend den heutigen Grundrissen, es gibt da ein beeindruckendes Gemälde mit Sicht vom Kirchturm aus auf das Areal, auf dem auch die damaligen Fortbewegungsmittel Pferde und Kutscherwagen und mit unverhohlenem Stolz zahlreiche rauchende Kamine abgebildet sind.

Rückansicht Bau I

Drastische Neu- und Umbauarbeiten veränderten die Fassade des Architekten Ziegler und führten zum heutigen Erscheinungsbild. Eine Art "Hollywood"-Fassade erweckt außen den Eindruck einer alten Burg, während im Inneren ziemlich nüchtern die Produktionsbedingungen erfüllt wurden (z.B. im Keller unter den Sudkesseln drei Meter dicke Fundamente). Ein optischer Kniff ließ die Gebäude höher erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind: Die unteren Fenster sehr groß, mit großem Sprossenraster, darüber kleinere Fenster mit mittelgroßem Raster und oben sehr kleine Sprossen/Fenster.

Die AG existierte jedoch nicht lange: Die Brauerei Sinner kaufte die Braurechte und ließ ein Brauverbot auf dem gesamten Areal eintragen. Das Grundstück selbst wurde dann für eine Million Goldmark an die Fabrikanten Heckeroth & Fregonnau verkauft, die aus Metz kommend eine Produktionsstätte für ihre Konservenfabrik namens "Brenner" suchten,

Von Freiherrn von Seldeneck mietete man das mehrfach umgebaute Schlösschen. Das Gelände erstreckte sich von der Lerchenstraße bis zur Sonnen- und Hardtstraße. Später wurden Anteile des Geländes an die Firmen Kammerkirsch und Danzas sowie an Wohnungsbauunternehmen verkauft.

Die Konservenproduktion florierte, Belegkirschen, Erbsen und ähnliches wurde Bahnwagon für Bahnwagon eingedost. Es existiert übrigens noch eine ungeöffnete Original-Erbsendose, nur das Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen.

Während des Krieges verpflichtete man den Betrieb zwangsweise zur Heeresverpflegung. Gleichzeitig wurden die meisten Fenster zugemauert und im Keller eine umfangreiche Bunkeranlage für die Belegschaft und die umliegende Bevölkerung eingerichtet. Mehrfach fielen Brandbomben auf die Dächer, die unter Lebensgefahr von Freiwilligen entfernt und gelöscht wurden. Besonders in Bau II sind diese Brandspuren noch im Bereich der abgeplatzten Sandstein-Fensterlaibungen abzulesen.

Sicherlich haben einige Mühlburger diesen Gemäuern ihr Leben zu verdanken. Es gab unterirdische Verbindungen zu Kammerkirsch, von dort weiter unter das "Rheingold" bis in den Landgraben.

Nach dem Krieg konnte der Konserven-Betrieb leider nicht aufrechterhalten werden. Zu schwierig war die Rohmaterialbeschaffung und die neue Marktsituation. Daher wurden die Gebäude so, wie sie waren, untervermietet. Firmen wie Siemens, Kondima, Neurohr-Werkzeuge, Getränke Schäfer und sogar Fa. Möbelmann waren Mieter.

Ansicht Bau II in Richtung Rheinstraße

Schließlich kam 1984 der Kulturverein Tempel e.V., zuerst nur auf der Suche nach Proberäumen bis schnell wurde klar, dass hier ein umfassendes Gesamtkonzept nötig war. Dank der verständnisvollen Erben der ehemaligen Konservenfabrik, die auch heute noch Eigentümer eines Teils des Geländes sind, konnte das Gebäude zum Kulturzentrum umgebaut werden. 1995 gab die Stadt Karlsruhe dem Verein einen Zuschuss in Höhe von 700.000,- Deutsche Mark und Bau I konnte angekauft werden.

Seit 1984 sind die vermauerten Fenster zum Teil wieder offen. Die Gebäude sind als Kulturdenkmal unter Schutz gestellt.

Verfasser: Willi Schönauer u. Tobias Schmöger

Pläne:

Büro für Bauwesen:

gezeichnet von Mayella de Moebel u. Willi Schönauer

© Jürgen Grether